Udaipur war der sanfte Einstieg unserer Rajasthan Rundreise, besonders für unsere beiden Mitreisenden, die frisch aus dem beschaulichen Allgäu eingetroffen waren. Mit einer Millionen Einwohner ist Jodhpur dagegen keine kleine Stadt. Wenn Udaipur ein Streichelzoo ist, hatte es uns in Jodhpur ins „echte“ Indien katapultiert, vielleicht nicht direkt ins Raubtiergehege, aber in dessen Nähe.
Ankommen und Guesthouse Suche
Wir stiegen von unserem Taxi aus Ranakpur in zwei Rikschas um. Wer den letzten Artikel gelesen hat, weiß in welch angeschlagenem Zustand wir uns bei unserem Aufbruch befunden hatten. Dieser hatte sich mittlerweile nicht sonderlich verbessert. Nach dem üblichen Preis Gefeilsche mit den Rikscha-Fahrern, begaben wir uns ins nachmittägliche Verkehrschaos. An unserem Ziel, dem Clock Tower, wurden wir samt Gepäck in das Gewühl des Marktes ausgespuckt. Von hier aus begannen wir die Suche nach einer Unterkunft.
Eine Unterkunft in Jodhpur zu finden ist nicht schwierig, es gibt haufenweise Guesthouses. Allerdings erstreckt sich die Altstadt über eine Anhöhe, es gibt reichlich Treppen zu besteigen, und unser verkaterter Zustand machte die ganze Sache auch nicht gerade leichter.
Wie wichtig, wenn auch oft anstrengend, es ist, eine gute Unterkunft zu finden, hatten wir in unseren drei Monaten reisen schon gelernt. Besonders in Indien und ganz besonders in indischen Städte braucht man einen Rückzugsort, wo man sich wohlfühlt und wohin man vor Lärm, Schmutz und Chaos fliehen kann.
Unser Suche war schließlich erfolgreich, wir fanden ein Guesthouse, ziemlich weit oben gelegen, mit guter Sicht über die Altstadt von Jodhpur. Auch ziemlich praktisch, vom Markt bis zum Guesthouse gab es an fast jeder relevanten Abbiegung ein handgemaltes Schild samt Pfeil in Richtung L.G. Guesthouse. Die Altstadt von Jodhpur ist nämlich extrem verwinkelt, ein Labyrinth an kleinen Gässchen, Höfen und Treppen. Nicht selten standen wir in dem Innenhof oder Stall eines der Häuser und der Weg führte nicht weiter. Die Einheimischen, auch die Kinder, sind aber längst daran gewöhnt den verwirrten Touristen weiter zu helfen. Insgesamt begegneten uns die Einwohner der blauen Stadt sehr freundlich und hilfsbereit.
Markt und Clock Tower
Dem wuseligen Markt am Clock Tower statteten wir fast jeden Morgen einen Besuch ab. Man findet hier ein paar anständige Streetfood Stände (ja, wir haben in Indien auf der Straße gegessen). Es gibt vorzüglichen Kaffee im Cafe Royale, muss man in Indien oft länger suchen. Von hier aus lässt sich, ein bisschen zurückgezogen, das Markttreiben beobachten. Nach Frühstück und Kaffee kann man sich dann noch einen frisch zubereiteten Orangen-Granatapfel-Saft am Saftstand holen, oder eine leckere Kokosnuss genießen.
Wunderbar kann man hier Früchte und Gemüse kaufen. Ansonsten gibt es viel bunten glitzrigen Plastik Schmuck und andere wenig reizvolle Produkte. Die anliegenden Straßen und Gässchen sind da etwas besser, hier bekommt man Paschmina Schals (die nicht immer echt sind), die üblichen Indien-Touri-Klamotten, Modeschmuck usw. Natürlich kann man auch den Clock Tower für ein kleines Entgeld besteigen.
Über den Markt zu laufen, kann ganz schön fordernd sein. Es gibt einerseits die Händler, die beim kleinsten Blick, den man in Richtung ihrer Waren wirft, sofort sehr aufdringlich das Verkaufsgespräch beginnen. Andererseits gibt es viele Bettler, Frauen mit Babys auf dem Arm, die um Geld für Milchpulver bitten und Kinder die Müll sammeln und um Geld betteln. Diese lassen sich meist nur schwer wieder abschütteln.
Besonders die Kinder sehen oft herzzerreißend aus, in ihren Schmutz starrenden Lumpen die sie an den dürren Körpern tragen und einen aus dunklen Augen flehend anschauen. Trotzdem sollte man den Kindern kein Geld geben. Oft werden die Kinder von ihren eigenen Eltern zum Betteln geschickt, manchmal von Banden dazu gezwungen. Die vermeintlichen Mütter mieten sich teilweise Babys und narkotisieren diese, damit sie den ganzen Tag schlafen. Das Milchpulver soll in einem Shop gekauft werden, mit dem die Frauen einen Deal haben. Das Milchpulver wird zurückgestellt und Händler und „Mutter“ teilen sich das Geld.
Natürlich gibt es auch Bettler die wirklich bedürftig sind, aber wie soll man diese erkennen? Vor allem am Anfang unsere Reise haben wir den Bettlern oft ein paar Münzen zugesteckt. Das hilft aber nur kurzfristig, insbesondere dem eigenen Gewissen. Wer wirklich helfen möchte, erkundigt sich am besten nach seriösen Hilfsorganisationen vor Ort. Diese wissen Spenden vernünftig zu verteilen.
Rao Jodha Desert Rock Park
Der perfekte Platz um runter zu kommen, wenn der quirlige Markt einen überfordert hat, ist der Desert Rock Park. Nein, wir interessieren uns nicht besonders für Steine und ehrlich gesagt gibt es, wenn man nicht grad Geologe ist, hier nicht besonders viel zu entdecken. Die Ruhe tut trotzdem gut, es ist nämlich nichts los. Spektakulär ist die gute Sicht, die man auf die Rückseite des Forts hat.
Wer mehr Action möchte kann auch die Zipline Tour machen. Insgesamt sechs Ziplines sind kreuz und quer durch den Park und zum Teil auch ins Fort gespannt. Das macht mit Sicherheit mega Spaß, kostet aber auch 1900 Rupies pro Person, rund 24 Euro.
Meherangarh Festung – just another Fort?
Natürlich hat Jodhpur auch ein Fort mitsamt Palast, schließlich sind wir noch in Rajasthan, was Land der Könige bedeutet. Pflichtbewusst haben wir dieses für die stolze Summe von 600 Rupies besichtigt. Die verschiedenen Prunkräume und die typische Architektur des Palastes schauten wir uns nur oberflächlich an. Besonders gefreut hatten wir uns auf die Sicht, die wir uns von der Fortmauer aus auf das blaue Häusermeer versprachen.
Diese stellte sich aber als enttäuschend heraus, da man an keiner Stelle wirklich gut über die Mauer sehen kann. Wenn man also schon in einem der anderen Forts in Rajasthan war und sich nicht auf einer historischen Studienreise befindet, kann man die Meherangarh Besichtigung getrost auslassen.
Steppwell Jodhpur – geheimnisvoller Stufenbrunnen
Wir sind ja die meiste Zeit ohne Reiseführer unterwegs und hatten für Jodhpur so gut wie nichts recherchiert. Wie vorher erwähnt, war es auch gar nicht so einfach, sich durch die Gässchen der Altstadt zurechtzufinden. Auf der Suche nach einem Frühstück, ließen wir uns einfach treiben, bogen auf einen Platz ein und standen plötzlich vor dem Stufenbrunnen mit seinem überirdisch leuchtenden, tiefgrünem Wasser. Die Wirkung dieses besonderen Bauwerkes ist magisch.
Stufenbrunnen sehen aus wie umgekehrte Pyramiden und haben deshalb, je nach Füllungszustand, eine unterschiedlich große Wasseroberfläche. Ursprünglich wurde, besonders in wasserarmen Gegenden, in solchen Brunnen das Regenwasser zur Monsunzeit gesammelt. Wegen dieser lebensspendenden Eigenschaft, wurden die Brunnen früher auch religiös verehrt. In den Nischen befanden sich Götterfiguren und Schreine, oder der Brunnen befand sich in der Nähe eines Tempels (Quelle).
Aussichtspunkt über die blaue Stadt
Vom Fort waren wir eher enttäuscht, da die Sicht nur eingeschränkt möglich war. Also begaben wir uns auf die Suche nach einem besseren Aussichtspunkt und wurden auch fündig. Wir wanderten zunächst nach oben bis zur Mauer und dann am Fuße des Festungsfelsens entlang nach Südwesten. So gelangt man zum Patharia Hill Viewpoint. Unmittelbar davor befindet sich ein kleiner Tempel (Vorsicht, sieht nicht wie ein Tempel aus, man muss aber trotzdem die Schuhe ausziehen) auf dessen Dach man steigen kann. Hier geht es dann noch ein Stück weiter auf einen Felsen, wo sich in den Abendstunden kleine Grüppchen Menschen versammeln. Die Rundumsicht von dem Felsen über die blaue Stadt ist spektakulär. Vom Patharia Hill lassen sich sowohl Sonnenauf-, als auch Sonnenuntergang bestaunen.
Als nächstes ging unsere Rajasthan Rundreise weiter in die faszinierende Wüstenstadt Jaisalmer, auch die goldene Stadt genannt.