Wir sind raus aus China – Wie? Fragst du dich vielleicht, Hong Kong gehört doch zu China? Ja, tut es, aber es ist eine Sonderverwaltungszone und besitzt große Autonomie gegenüber Beijing, und das spürt man.
Die Unterschiede könnten größer nicht sein, Hong Kong fühlt sich nach Freiheit an. Endlich nicht mehr hinter der großen Firewall, kein zensiertes Internet, das macht den Reisealltag um einiges einfacher.
Aber es ist noch mehr. Hong Kong atmet, pulsiert ist lebendig und wild.
Die großen Städte in China, mit ihren gentrifizierten Innenstädten, restaurierten Tempeln und historischen Fake-Fasaden, fühlten sich bedrückend an.
Wir hätten deutlich mehr Zeit in Hong Kong verbringen können, hier kann man richtig viel unternehmen.
Besonders auf den verschiedenen Inseln ist wunderbare Natur zu entdecken, von Strand bis Dschungel. Aber auch kulturell bietet Hong Kong ganz unterschiedliche Facetten.
In den drei Tagen in denen wir in Hong Kong waren, haben wir nur das übliche Touri-Programm geschafft, welches wir aber umso mehr genossen haben.
Victoria Peak – Die Hitze haut uns um
Wer eine schöne Aussicht über Hong Kong haben will, kann entweder in einem Wolkenkratzer in die Höhe, oder den Victoria Peak besteigen. Der “Berg” ist 552 Meter hoch und bildet die höchste Erhebung von Hong Kong Island. Eine halbe Stunde führt der Weg relativ steil nach oben, der größte Teil verläuft im Schatten unter Bäumen. Es gibt auch die Möglichkeit, mit der Peak Tram zu fahren – aber wir wollten es uns nicht nehmen lassen, zu Fuß hoch zu laufen.
Komplett unterschätzt hatten wir allerding, dass wir nicht an Hitze und Luftfeuchtigkeit gewöhnt waren. Hong Kong fühlte sich Ende Mai wie ein großes Freiluft Dampfbad an. Haare und Kleider klebten am Körper und waren innerhalb weniger Minuten triefend nass.
Diese Flüssigkeit, die sturzbachartig unseren dampfenden Körpern entwich, wollte natürlich ersetzt werden. Da wir relativ spontan, nach dem Mittagessen, aus Hong Kong Central Richtung Victoria Peak losmarschiert sind, hatten wir es tatsächlich verplant, uns vor dem Aufstieg mit Wasser zu versorgen. Sträflicher Fehler. Oben angekommen fühlten sich unsere Kehlen rauh an wie Reibeisen.
Ein Mann an einem kleinen Straßenstand war für diesen Fall bestens ausgerüstet und verkaufte uns völlig überteuertes Wasser.
Der Blick belohnte uns allerdings für unsere Strapazen.
Soho – Central Mid-Level Escalator
Mit einer Rolltreppe fahren, wieso soll das denn was besonderes sein, haben wir uns gefragt?
Der Central Mid-Level Escalator ist allerdings etwas Besonderes. Laut Wikipedia handelt es sich, mit 800 Metern Länge und 135 Höhenmeter, um das längste überdachte Rolltreppensystem der Welt. Aber das sind nur Zahlen. Wirklich spannend ist die Aussicht, die man auf der Fahrt durch die Häuserschluchten von Hong Kong hat. Stellenweise sieht man direkt in die Wohnungen der Anwohner. Die unzähligen netten Bars, Restaurants und Läden geben dem abwechslungsreichen Stadtteil Soho seinen Charme.
Victoria Harbour – Skyline & Lichtshow
Victoria Harbour ist ein Hafen zwischen Hong Kong Island und der Halbinsel Kowloon in Hongkong. Schon tagsüber ist es beeindruckend, den Blick über den Hafen und seine Skyline schweifen zu lassen. Täglich um 20:00 Uhr wird außerdem eine Lightshow veranstaltet. Natürlich ist hier um die Zeit jede Menge los. Ob die Show sich wirklich lohnt, sei mal dahingestellt. Die Skyline bei Nacht kann sich aber wirklich sehen lassen.
Avenue of Stars / Garden of Stars
Im Stadtteil Tsim Sha Tsui auf der Halbinsel Kowloon befindet sich die berühmte Avenue of Stars. Nach dem Vorbild Hollywood werden hier die Stars der Filmindustrie Hong Kongs geehrt, mit Sternen am Boden, deren Handabdrücken in Tafeln, einige wenige sogar mit Statuen. Hier finden sich Namen wie John Woo, Jackie Chan, Jet Li und viele andere Größen.
Während unseres Besuchs war die Avenue of Stars leider wegen Umbauarbeiten geschlossen. Die Sterne, Handabdrücke und Statuen kann man sich aber noch bis Ende 2018 im nahe gelegenen Garden of Stars anschauen.
Kung Fu Corner
Jeden Sonntag gibt es im Kowloon Park beim Sculpture Walk die Kung Fu Corner. Von 14:30 bis 16:30 demonstrieren verschiedene Kampfkunst Schulen ihre Stile. Das war cool anzuschauen. Es wurden sowohl waffenlose, als auch Formen mit Waffen vorgeführt, in der Gruppe oder einzeln, vom Kindes- bis zum Seniorenalter. Manches sah für mich (Steffen) recht exotisch bis albern aus, aber sportlich und artistisch waren alle Demonstrationen.
Am allerbesten hat mir die Tai Chi Darbietung einer Frau mit dem Jian, dem chinesischen geraden Schwert, gefallen. In ihren Bewegungen lag eine Anmut und eine Perfektion, vermutlich trainierte sie schon ihr Leben lang. Das Jian gilt unter den vier klassischen Waffen als die Edelste, und so sah es auch aus. Ich war derart beeindruckt, dass ich ganz vergaß Fotos zu machen. Wer kennt den Film Tiger & Dragon mit Chow Yun-Fat? “Das grüne Schwert der Unterwelt” ist ein Jian.
Hong Kongs Begpacker
Ja, du hast richtig gelesen – wir meinen Begpacker, also Rucksackreisende die glauben, ohne Geld die Welt bereisen zu können. Um diese Utopie leben zu können, fangen sie an um Geld zu betteln, Straßenmusik zu machen oder vermeintliche Kunst zu verkaufen.
In der Nähe des Fährterminals auf Kowloon sind wir auf wahre Massen dieser Begpacker gestoßen. Angefangen von Karikatur Zeichnern, über Umarmungen die für ein paar Dollar erstanden werden können, bis hin zu Gitarrenspielern, die ihren Text nicht können.
Das Traurigste und auch Schockierenste war allerding eine russische Familie, die wir an zwei Abenden sahen. Der Vater saß, neben zwei Kleinkindern mit zerzausten blonden Haaren, auf dem Boden. Er sang falsch in ein Mikro, dazu lief irgendeine russische Melodie vom Band. Vor dem kleinen Mädchen stand ein Schild “it’s my birthday”. Das geht unserer Meinung nach nicht mehr als Straßenmusik durch, sondern ist betteln, und das mit Hilfe der eigenen Kinder.
Wir wollen hier nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen und völlig aus dem Zusammenhang gerissen verurteilen. Wir sind auch nicht generell gegen Straßenmusik oder Straßenkunst. Allerdings manifestierten sich bei uns, angesichts der Bettler aus reichen westlichen Ländern, die mit Mitleid ihre Reise finanzieren wollen, Gefühle zwischen Fremdschämen und Wut.
Hong Kong gehört zu den teuersten Städten dieser Erde, hier gibt es die höchsten Mieten überhaupt. Es gibt einige Destinationen in Asien, die ohne viel Geld bereist werden können. Hong Kong zählt da definitiv nicht dazu.
Hong Kong hat uns sehr gut gefallen und zählt nach den kurzen drei Tagen, die wir dort verbrachten, schon zu einer unserer Lieblingsstädte dieser Welt.