Erkenntnisse aus 101 Tagen in Indien

101 Erkenntnisse Artikelbild

101 Tage haben wir in diesem verrückten, atemberaubenden und mystischen Land verbracht. Wir haben die Staaten Tamil Nadu, Karnataka, Kerala, Goa, Maharashtra, Rajasthan und Uttarakhand bereist. Diese sind sehr unterschiedlich, das wird manchmal direkt nach Grenzübertritt deutlich. Wir waren in Millionen-Städten und winzigen Dörfern, haben das ultra moderne Indien gesehen und uns ins Mittelalter zurück versetzt gefühlt. Wir haben dieses Land gehasst und geliebt und einiges über uns selbst gelernt.

Hier eine kleine Zusammenfassung dessen, was wir in dieser Zeit über den Subkontinent Indien lernen durften.

Indische Städte rauben uns den letzten Nerv

Ob Chennai (4,6 Mio), Mumbai (18,4 Mio), Delhi (19 Mio) oder eine vermeintlich kleine Stadt wie Kochi (ca. 600.000 Einwohner, mit Umland aber auch 2,1 Mio) – für uns fühlte es sich zwischendurch wie der Vorhof zur Hölle an. Es stellte sich heraus, dass wir als Münchner keine Ahnung haben, was Großstadt bedeutet, schon gar nicht in Indien 🙂

Straßenbild von oben in Dehli

Straßenbild von oben in Dehli

Zugfahren in Indien kann toll sein, kann aber auch zum Alptraum werden

Eigentlich ist der Zug unser liebstes Transportmittel in Indien. Wenn man ein Ticket mit einer Sitzplatzreservierung hat, sitzt oder liegt man auf seiner Sleeper Bank und schlägt die Zeit mit Lesen und Podcast hören tot. Oder man stellt sich an die geöffnete Tür und lässt die abwechslungsreiche Landschaft an sich vorbeiziehen.

Indien Zugfahren Bahnhof Mumbai

Indische Bahnhöfe können schlichtweg riesig sein – hier der Chhatrapati Shivaji Terminus in Mumbai, der zu den größten und geschäftigsten der Welt zählt.

Leider ist es nicht immer so. Bei unserer letzten langen Zugfahrt, die uns an die Grenze nach Nepal brachte, kam der Zug 5 Stunden zu spät, angeblich wegen Nebel. Wir haben keinen Nebel gesehen und der Zug startete nur eine Station von uns entfernt. Der Zug hielt an jeder Station mindestens 15 Minuten, manchmal auch eine halbe Stunde. Insgesamt saßen wir statt 15 Stunden 19 Stunden im Zug. Der Zug war überfüllt, die Menschen lagen teilweise auf den Fußböden. Die Toiletten in der Nähe unseres Abteils stanken bestialisch, wir wachten nachts immer wieder von dem Geruch auf. Einmal wachte ich (Sarah) auf, weil mir eine Kakerlake über den Arm lief. Wir waren ziemlich fertig, als wir Gorakhpur ankamen.

Indien ist ein Vegetarier Paradies

Indien ist die Vegetarier Nation schlechthin, für mich (Sarah) ein Traum. Ich liebe diese Schilder auf denen “Pure Veg Restaurant” steht, weil ich einfach alles von der Karte bestellen kann, ohne erst nachfragen zu müssen, was drin ist. Wenn Fleisch oder Eier serviert werden, heißt das “Non Veg”. Also genau umgekehrt als bei uns.

indien Mumbai Streetfood

Streetfood – Himmel Mumbai

Dehli, Indien Fleisch auf der Straße

Unten sind die Käfige, oben wird geschlachtet und verkauft – da kann einem der Appetit auf Fleisch schon vergehen.

Natürlich ist trotzdem in fast jeder Stadt Fleisch erhältlich, mal abgesehen von Rishikesh und anderen, ähnlich heiligen Städten. Der Anteil der Nicht-Vegetarier in Indien steigt.
Ob es aus hygienischen Gründen schlau ist, Fleisch zu essen, muss jeder für sich entscheiden. Wir haben in Delhi, gegenüber von der Jama Masjid Moschee, gesehen, wie Berge von Hühnchen Teilen, ungekühlt und von Fliegen umschwirrt, darauf warteten, verkauft zu werden.

Die Klos sind weniger schlimm als angenommen

Ich (Sarah) hatte die schlimmsten Vorstellungen und Horrorgeschichten im Kopf, aber so schlimm war es definitiv nicht. Natürlich gibt es häufig die gewöhnungsbedürftigen Hock-Klos (Porzellan mit Loch im Boden), wir haben aber in jeder Unterkunft und in vielen Restaurants auch “Western Toilets” vorgefunden. Klopapier ist dagegen nicht verbreitet, am besten immer ein bisschen was mit sich herumtragen.

Wir verstehen auch nach 101 Tagen Indien das Kopfwackeln nicht

Das kann man so stehen lassen. Das typische Kopfwackeln kann Ja, Nein und vielleicht bedeuten, wir waren uns oft unsicher was gemeint ist.

Wir verstehen auch nach 101 Tagen das indische Englisch nur schwer

Kann man ebenfalls so stehen lassen, beruhte allerdings auf gegenseitigem nicht Verstehen. Legendär ist der Versuch von Steffen, bei Airtel (Telefongesellschaft) anzurufen, um eine Sim-Karte freischalten zu lassen. Trotz mehrfacher Anrufe bekam er keinen verständlichen Mitarbeiter an den Hörer, wir mussten uns von den Indern in unserem Guesthouse weiterhelfen lassen.

Possible, possible but not available (Danke Uli für den Spruch)

Eine typische Situation, wie sie uns Indien zigfach passiert ist: „Is it possible …?“ Die Antwort lautet dann „Yes, possible!“ – man braucht sich allerdings nicht zu wundern, wenn daraufhin nichts passiert. Die Frage war vielleicht falsch oder zu unspezifisch gestellt. Wenn man dann nochmal nachhakt lautet die Antwort:  „Yes possible, but not available“

Inder lieben Selfies

Am liebsten mit den komischen großen Wessies, die den Hindutempel besichtigen. Manche fragen erst gar nicht, sondern stellen sich einfach neben einen hin und zücken das Handy. Von uns muss es hunderte Selfies mit Indern auf sozialen Netzwerken geben. Dadurch kam es zu unerwarteten Kontakten, was oft sehr lustig war, und wir schossen auch viele Fotos von Indern in traditionellen Gewändern. Aber man hat einfach nicht immer Lust drauf, wenn der zehnte uns fragte und immer neue Gruppen uns belagerten, sind wir manchmal regelrecht geflüchtet.

Indien Pilger Tanjavur

Selfie mit indischer Pilgergruppe – alle in den selben Farben gekleidet

Indien Pilger Tanjavur

Herzerwärmende Begegnungen im Tempel von Tanjavur

An die Müllberge in der Natur können wir uns nicht gewöhnen

Indien Müll Hampi

Links und rechts vom Fluss stapeln sich die Müllberge in Hampi

Klar stumpft man ab und findet kleinere Müllhaufen nicht mehr ganz so schlimm. Trotzdem blutete uns regelmäßig das Herz, wenn wir in der schönsten Natur auf arglos weggeworfenen Müll, oder gar ganze Deponien, stießen.

 

Den Geruch von Mottenkugeln werden wir für immer mit Indien verbinden

Ziemlich oft bekommt man in billigen Unterkünften Decken und Kissen, die stark nach Mottenkugeln riechen. Da hilft auch kein stundenlanges Auslüften, der Geruch steckt in den Sachen drin. Oft waren die Mottenkugeln auch im Waschbecken oder anderen Abflüssen gelegen, wahrscheinlich um Kakerlaken fern zu halten.

Geruchsempfindlich sollte man – besonders in Städten – nicht sein

Seien es die offenen Abwasserkanäle, die an den Straßen entlang führen, oder auch Flüsse und Seen, der Geruch kann betäubend sein. Müllhaufen auf den Straßen und in verfallenen Häusern, Kuhfladen, tote Ratten und immer wieder Müllfeuer bilden nur einen Teil des Geruchspektrums, mit dem Indien die europäische Nase konfrontiert.

Indien Schweine Straße

Wo diese kleinen Kerlchen zu finden sind, riecht es selten gut

Dehli Indien Sarah Burghardt

In Städten einfach nie das Haus ohne Schal verlassen! Danke Matze für das Foto

Empfehlung: immer einen Schal dabei haben, der bei Bedarf über Mund und Nase gezogen werden kann, gerne auch mit ein paar Tropfen Teebaumöl drauf.

Inder sind Weltmeister im Starren

Wir kommen in ein Restaurant in Tamil Nadu und sind die einzigen Wessies. Ein Kellner bringt uns die Karte und stellt sich neben den Tisch um uns zu beobachten. Es gesellen sich ein Mann und eine Frau, die auch im Restaurant arbeiten, hinzu. Alle drei beobachten uns. Schließlich stellt sich noch der Kassierer dazu. Wir geben unsere Bestellung auf. Die Vier gehen wieder ihren Aufgaben nach, inzwischen beobachten uns aber sämtliche Gäste des Restaurants. Unser Essen kommt, und wieder stehen drei Personen um uns herum. Nur um zu beobachten, wie wir unser Thali, anstatt mit den Händen, mit den einzigen zwei Löffeln die aufzutreiben waren, umständlich essen. Wir fühlen uns ein wenig wie Außerirdische.

Aber nicht nur in Regionen, in denen es wenig Touristen gibt und nicht nur, wenn wir uns ungeschickt angestellt haben, wurden wir angestarrt. Auch in touristischen Gebieten wie Goa oder Gokarna oder z.B. im Zug. Starren und andere beobachten gehört zu Indien wie heilige Kühe. Da hilft übrigens auch keine noch so konservative angepasste Kleidung. Wir sind mal besser mal schlechter damit zurecht gekommen.

Inder wirken oft unterkühlt oder unfreundlich

Sind es aber nicht zwingend, Lächeln ist einfach nicht so weit verbreitet wie z.B. in Sri Lanka oder Nepal. Oft haben mich (Sarah) die Frauen auf der Straße regelrecht böse angeschaut. Wenn ich sie dann angelächelt habe, kam sofort ein wunderschönes und warmes Lächeln zurück. Als Frau wird einem immer davon abgeraten, indischen Männern ins Gesicht zu schauen oder sie anzulächeln, woran ich mich – besonders bei unserer Generation oder jünger – nicht gehalten habe. Ich hatte aber den Vorteil, meistens in Begleitung meines fast zwei Meter großen Freundes unterwegs zu sein.

Was auch extrem ungewohnt ist und sich unhöflich anfühlt, ist dass man sich nicht bedankt. Natürlich gilt das eher für Gegenden, die weniger touristisch sind. Das für uns so selbstverständliche Bedanken, wenn man beispielsweise sein Essen im Restaurant bekommt oder eine Dienstleistung erhalten hat, ist unüblich. Auch kann es sein, dass Shopbesitzer nach der Abwicklung des Geschäfts sich nicht bedanken. Es gilt als nicht notwendig, da bereits Geld gegen Waren bzw Dienstleistungen getauscht wurde.

Männer dominieren das Straßenbild und den Alltag

Egal ob in Restaurants, in Chai-Shops oder in den Hotels, das meiste Personal ist männlich. Auf den Straßen, den Märkten, in den Zügen in den Bussen, die Anzahl der Männer übersteigt die Anzahl der Frauen um ein Vielfaches. Das Gleiche gilt für Ausflugsziele, vom Strand bis in die Berge trifft man auf Gruppen männlicher Inder. Wenn eine große Gruppe Männer auf dich zukommt und dich alle wie ein Alien anstarren, fühlt sich das als Frau nicht unbedingt gut an. Ebenso kann es sein, dass mit dem Finger gezeigt und getuschelt wird, oder gar das Handy gezückt wird um Fotos zu machen oder zu filmen. Das ist natürlich keine neue Erkenntnis und ist in jedem Indien Reisebericht zu lesen. Es aber selber zu erfahren und zu spüren, ist etwas anderes. Ein unsicheres Gefühl oder Angst hatte ich aber zu keinem Zeitpunkt, war aber auch selten allein unterwegs. Mit genug Selbstbewusstsein kommt man mit den meisten Situationen klar.

Indien Pilger Straße Männer

Männliche Pilger auf der Straße

Als Frau ist trotzdem häufig – kulturell bedingt – mit einer anderen Behandlung zu rechnen, welche sich unhöflich anfühlen kann. So haben wir erlebt, dass z.B. in Restaurants nur mit Steffen geredet wird, dass ich weder begrüßt noch angeschaut wurde. Manchmal habe ich nicht mal eine Speisekarte bekommen. Wenn ich allein unterwegs war, war das nicht der Fall.

Vieles dauert länger als erwartet

Oft haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Dinge, die wir uns vorgenommen hatten, deutlich länger brauchten als erwartet. Ganz prinzipiell ist man gut beraten, wenn man weder einzelne Tage, noch einen längeren Zeitraum zu sehr durchplant. Die Wahrscheinlichkeit, dass man an irgendeiner Stelle, in irgendeiner Situation, auf einmal viel Zeit “verliert” bzw. einfach deutlich länger braucht als gedacht, ist in Indien recht hoch.

Beispielsweise beim Mittagessen im Restaurant. Nicht selten dauert es 45 Minuten, bis Essen auf dem Tisch steht. Oder sämtlicher Transport in größeren Städten. Aufgrund des anarchischen Verkehrsverhaltens und der schieren Menge an Fahrzeugen, ist mit einem schnellen Durchkommen, außer tief Nachts, nicht zu rechnen.

Unerwartete Hilfe von Fremden

Indien Trickbetrüger

Schild in Dehli am Bahnhof – wir haben aber keinerlei schlechte Erfahrung gemacht.

Es ist uns nicht selten passiert, dass wir uns irgendwie verloren gefühlt haben. Sei es beim Ankommen vom Flughafen in der Stadt, sei es beim Umsteigen auf Bahnhöfen, oder in kleinen Orten, beim Suchen nach der Bushaltestelle. Meistens waren wir in diesen Situationen schon ziemlich müde, beide ca. 15 Kilo Gepäck aufgeschnallt, Schweiß und Staub auf den Gesichtern. Jedesmal in solchen Situationen kam ein freundlicher Inder auf uns zu und fragte “What you are looking for, can i help you?” Manchmal konnte diese Person auch kein Englisch und wir wussten nur unseren Zielort, hat mit Händen und Füßen trotzdem immer geklappt.

Weiter entfernt von den Touri-Hotspots sind die Menschen oft viel freundlicher

In Hampi, das ja zurecht absolut touristisch ist, haben wir eine weniger schöne Erfahrung gemacht. Wir beschreiben das schon ein bisschen in unserem Artikel über Hampi. Sowohl in den Unterkünften als auch in manchen Restaurants, Cafes und bei der Fähre, die über den Fluss führt, hatten wir das Gefühl, unerwünscht zu sein. So nach dem Motto: Du bist ja nur ein Tourist und bald wieder weg – ich brauch mir keine Mühe geben. Sehr stark hatten wir auch von Anfang an das Gefühl, nur als wandelnde Geldbörsen gesehen zu werden. Das änderte sich aber total, als wir mit dem Roller in die umliegenden Dörfer fuhren. Die Leute dort waren unheimlich freundlich, warm und an uns interessiert. Diese Erfahrung hat sich andernorts noch einige Male wiederholt.

Indien Mann

Indien ist bürokratisch as hell

Bürokratie wird in Indien groß geschrieben, sehr groß. Gutes Beispiel hierfür sind Bahnhöfe. Über den Vorgang eines Ticketkaufs haben wir hier schon ausführlich berichtet. Aber auch, wenn man an einem indischen Bahnhof sein Gepäck in den Cloak Room geben möchte (ein sicherer Aufbewahrungsort), bekommt man nicht etwa nur eine Abholnummer, nein, ein Formular muss ausgefüllt werden, inklusive detaillierter Informationen und Überprüfung des Reisepasses durch den diensthabenden Bahnmitarbeiter.

Ein weiteres Beispiel ist die detaillierte Checkin Prozedur bei quasi jeder Unterkunft, die man bezieht. Im Detail muss hier eingetragen werden woher man kommt, wie lange man schon in Indien ist, gerne auch wohin man weiterreist. Letzteres haben wir stets mit “Don’t know yet” beantwortet, was manch Rezeptionisten leicht verunsicherte. Hintergrund sind Kontrollen durch die Autoritäten, bei unsauberer Buchführung drohen Geldstrafen. Einzig in Jaisalmer haben wir erlebt, dass die Sache mit dem Checkin nicht so genau genommen wird. Hier waren wir sogar einmal drei Nächte in einer Unterkunft, ohne dass auf einen Checkin bestanden wurde.

Preise und Qualität bei Essen und Unterkünfte können extrem unterschiedlich sein

Wenn wir hier über teure oder günstige Preise schreiben, geht es uns nicht darum, dass alles möglichst billig ist. Wir müssen und wollen gar nicht bei allem sparen. Auch ist uns bewusst, dass wir als “reiche” Ausländer oft etwas mehr bezahlen als Einheimische. Auch dagegen ist, solang es im Rahmen bleibt, nichts zu sagen. Wir möchten aber gerne fair behandelt werden, und wenn wir viel Geld ausgeben, auch die entsprechende Gegenleistung bekommen.

Indien Übernachten

Ein Zimmer wie gemacht für Alpträume

Des öfteren waren wir allerding überrascht, wieviel wir für unser Geld bekommen haben. In Arambol beispielsweise ein großes modernes Zimmer mit Kochnische und Kühlschrank, zentral gelegen, zwei Minuten zum Strand, für 500 Rupees (ca. 6,70 €). Oder wie wenig, beispielsweise in Margao, wo wir ein Zimmer für eine Nacht gesucht haben. Wir liefen im Bahnhofsviertel von einem Hotel zum anderen, ein Zimmer schmuddeliger und heruntergekommener als das andere, oft mit kaltem Wasser, Bucket Shower und indischem Klo. Vom Zustand der Matratze, Geruch und Ungeziefer ganz zu schweigen. Die Preise lagen für diese winzigen, ungemütlichen Zimmer bei 800 Rupees aufwärts – unverhandelbar.

Das Gleiche kann bei einer simplen Tasse Chai passieren – manchmal bekamen wir für 40 Rupees eine große Tasse herrlich duftenden, gewürzten Tee, manchmal für das Doppelte eine winzige Tasse völlig überzuckerten, nach ranziger Milch schmeckenden Tee.

Wir hätten hierfür hunderte unterschiedliche Beispiele auf Lager, bezogen auf Essen, Wohnen, Rikschafahrten, Kleidung usw.

Ist das ein indisches Phänomen oder kennt ihr das aus anderen Ländern auch?

Indien ist ein Land extremer Kontraste

Das ist jetzt nichts Neues. Aber in den über drei Monaten, die wir durch Indien reisten, ist uns das in vielen, weniger offensichtlichen Fällen deutlich geworden. Klar, es gibt eine krasse Varianz zwischen superarm und extrem reich. Aber die Kontraste können auch subtiler sein. Zum Beispiel, mit welcher Gelassenheit Inder bereit sind zu warten, etwa auf einen verspäteten Zug. Trotzdem wird prinzipiell an jeder Schlange, wo man sich anstellen muss, vorgedrängelt so gut es geht. Oder der unglaubliche Stress im Straßenverkehr, dauerndes Gehupe und Gedränge. Innerlich jedoch sind die Verkehrsteilnehmer entspannt und alles andere als aggressiv, wie es sich für uns Europäer vielleicht durch das viele Hupen anfühlen mag.

Auch die eigenen Emotionen, die Indien in einem hervorruft, können sehr kontrastreich sein. Natürlich ist man von den vielen Eindrücken und größtenteils herzlichen Menschen verzaubert und begeistert. Jedoch gibt einem so manches, was man in Indien sieht oder erlebt, ganz schön zu knabbern. Ich (Steffen) hatte stellenweise Schwierigkeiten, an mich zu halten und wäre am liebsten komplett aus meiner Haut gefahren. In anderen Situationen wird einem bewusst, wie wenig man bereit ist, gewisse Dinge länger zu ertragen und will nur noch weg.

Steffen mit Fake Saddhus

Diese Mänenr haben sich für die Touristen in Hampi extra verkleidet  – oder sind das echte Saddhus?

Vorsicht heilige Kühe

Als ich (Sarah) zum ersten mal eine große schwarze Kuh mit glänzendem Fell im weißen Sand des Kuddle Beachs in Gokarna liegen sah, war das für mich der Inbegriff des Mythos Indiens. Die Kühe an diesem Strand waren sauber, wohlgenährt, gesund und hatten ein sanftes anschmiegsames Wesen.

Mit Hunden und Kühen am Strand kuscheln in Gokarna

Mit Hunden und Kühen am Strand kuscheln in Gokarna

Je weiter wir in den Norden Indiens gekommen sind, desto mehr Kühe sahen wir auf den Straßen. Diese Kühe sind mehr oder weniger auf sich selbst gestellt und müssen sich ihr Futter auf den Straßen aus den Abfällen heraussuchen. Was sehr praktisch für die Besitzer ist. Nicht selten sieht man Tiere, die in Müllhaufen stehen und auf Plastik herumkauen. Manche Kühe sind extrem abgemagert und schmutzig. Auch haben wir, besonders in Rajasthan, verletzte Tiere gesehen, mit offensichtlichen Beinbrüchen, die kaum noch laufen konnten.

Kranke und verletzte Tiere werden meistens sich selbst überlassen. In Jaisalmer trafen wir einen Inder, der sich zusammen mit einem Veterinär um kranke Kühe und auch kranke und verletzte Hunde kümmert. Das ist eine absolute Seltenheit und wird eher belächelt. Tierschutz ist in Indien leider kaum Thema. Von den Schiksalen der Straßenhunde wollen wir hier erst gar nicht anfangen.

Manche Kühe leben auch in kleinen Ställen oder umzäunten Bereichen, diese werden dann zwar mit Gras oder Heu versorgt, sind aber fast immer mit Seilen am Hals angebunden und haben keine Bewegungsfreiheit. Das gleiche beobachteten wir in Tempeln z.B. in Madurai.

Immer wieder beobachtet man auch Gewalt gegenüber Kühen. Gemüsehändler schlagen auf Kühe ein, die Grünzeug von ihren Stand fressen wollen. Auch im Straßenverkehr wird nicht grad zimperlich mit den herum streunenden Kühen umgegangen.

Die meiste Zeit haben wir uns eigentlich keine Gedanken gemacht, wenn uns in einer engen Straße eine Kuh den Weg versperrte. Das änderte sich aber drastisch, nach dem wir eine blutüberströmte Engländerin ins Krankenhaus in Jaisalmer bringen mussten, die zuvor auf der Straße von einer Kuh von hinten angegriffen wurde. Nicht selten sieht man Tiere, wie sie angriffslustig mit ihren Hörnern Richtung vorbei gehender Menschen ausholen.

heilige Kühe Indien

Okay Mädels, ich lauf jetzt ganz schnell an euch vorbei, und ihr tut so, als ob ich gar nicht da wäre

Wieder zeigt sich, was für komplexes Land Indien ist. In Nepal angekommen, findet sich auf vielen Speisekarten Rindfleisch. Auf die Frage, woher das Fleisch kommt, erhielten wir oft die Antwort – natürlich aus Indien – in Nepal gilt die Kuh als heilig und darf nicht geschlachtet werden. Das Verrückteste: Indien ist weltweit der größte Exporteur von Rindfleisch

Wer sich für dieses Thema interessiert findet hier zwei spannende Artikel über Indiens Kühe und deren Nutzung.

Das waren einige der Erkenntnisse, zu denen wir in Indien gelangt sind. Warst du schonmal in Indien? Wenn ja, haben wir was vergessen? Wir freuen uns auf deine Gedanken.
Sarah & Steffen

Erkenntnisse aus 101 Tagen in Indien

101 Tage haben wir in diesem verrückten, atemberaubenden und mystischen Land verbracht. Wir haben die Staaten Tamil Nadu, Karnataka, Kerala, Goa, Maharashtra, Rajasthan und Uttarakhand bereist. Diese sind sehr unterschiedlich, das wird manchmal direkt nach Grenzübertritt deutlich. Wir waren in Millionen-Städten und winzigen Dörfern, haben das ultra moderne Indien gesehen und uns ins Mittelalter zurück versetzt gefühlt. Wir haben dieses Land gehasst und geliebt und einiges über uns selbst gelernt.

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