Udaipur – die weiße Stadt
Wir sitzen auf der Dachterrasse unseres Hotels in Udaipur, die Stadt ist in pinkes Licht getaucht. Zusammen mit Matze und Cora, unseren guten Freunden aus Deutschland. Nach über drei Monaten, die wir unterwegs sind, ist die Freude riesig, das erste Mal Besuch zu bekommen. Die nächsten drei Wochen werden wir gemeinsam durch Rajasthan reisen.
Wir sind umgeben von Bauwerken, die in einen prunkvollen Historienfilm gehören könnten, oder in die Märchen aus Tausend und einer Nacht.
Schon auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt Udaipur, war uns aufgefallen, wie sehr sich Rajasthan von allem unterscheidet, was wir bisher in Indien gesehen haben. Aus unserem Taxifenster sehen wir Frauen, bunt gekleidet wie Blumen, mit riesigen Nasenringen, unzähligen Armreifen und Ketten, häufig auch Schmuck über Haar und Stirn. Männer mit Turbanen, mal weiß, mal rot orange, aber auch bunt, mal ordentlich und kunstvoll aufgetürmt, mal schräg über eine alte Wollmütze gewickelt.
Im alten Stadtkern von Udaipur sind die Häuser fast alle weiß gestrichen – dicht drängen sie sich um die Ufer des Pichola Sees. Auf dem künstlichen See befinden sich vier Inseln, die berühmteste ist die, auf der sich der Lake Palace befindet. Hier wurden unter anderem Szenen für den James Bond Film Oktopussy gedreht. Dieser Palast, der mittlerweile ein Luxushotel ist, gehört dem Rana Sriji Arvind Singh Mewar, der das Oberhaupt der Mewar Dynastie ist. Also ein echter lebender Maharadscha, der einer der ältesten königlichen Familien Indiens angehört.
Der Jagdish Tempel
Der Jagdish Tempel befindet sich zentral in Udaipur und ist eine echte Sehenswürdigkeit. Beim Umrunden des dem Gott Vishnu geweihten Tempels, kann man die mit Figurenschmuck und vielen Elefanten reich verzierten Wände und Säulen des Tempels bewundern. Was uns aber fast am besten gefiel, waren die vielen Palmhörnchen, die überall auf dem Tempel herum kletterten.
City Palace – der Maharadscha Palast
Vom City Palast aus regierte noch bis 1956 der Maharadscha von Mewar. Mittlerweile kann man dessen Wohnräume besichtigen, es gibt ein Museum, und ein Teil des Palastes ist ein Hotel. Der Palast wurde innerhalb eines Zeitraums von 400 Jahren auf einem Hügel erbaut, wobei jeder Erbe etwas zu dem Bau beitrug. Was man auch deutlich merkt. Wenn man so durch den labyrinthartigen Palast wandert, sieht jeder Hof, jeder Raum und jeder Gang etwas anders aus, ist in anderen Farben gestaltet und bedient sich an Ornamenten unterschiedlicher Epochen. Bemerkenswert ist der Blick der sich einem bietet, sobald man ganz oben angekommen ist. Das Museum stellt allerlei Zierrat, Waffen aber auch Alltagsgegenstände der Mewar Dynastie aus. Beispielsweis eine Art winzigen silbernen Schneebesen, dessen einzige Funktion es war, aus kohlensäurehaltigen Getränken die Bläschen raus zu rühren 😉
Shri Manshapurna Karni Mata Tempel – Palmhörnchen Paradise
Udaipur ist eine kleine indische Stadt, aber es ist halt eine indische Stadt. Unser Hotel befand sich ziemlich nah an einer sehr indischen Straße, also schmutzig, laut, viele hupende Fahrzeuge und dazwischen Kühe die ihr Geschäft zusammen mit den Straßenhunden auf selbiger verrichten. Was bedeutet, man hat schnell den Drang aus diesem Chaos zu flüchten. Also beschlossen wir einen Spaziergang zum Shri Manshapurna Karni Mata Tempel zu unternehmen.
Dieser liegt südlich der Altstadt auf einem kleinen Berg, direkt am Pichola See. Der Weg führt durch einen angelegten Park, den Berg hinauf, an waren Kakteendickichten und knorrigen knochentrockenen Bäumen vorbei.
Nicht zu übersehen sind die Horden an Palmhörnchen, die hier überall herumlaufen und offensichtlich gefüttert werden.
Oben angekommen wird man belohnt durch einen wunderschönen Rundumblick auf Udaipur und seine Seen. Von hier aus konnten wir haufenweise Milane beobachten, die majestätisch ihre Runden über die Stadt drehten und sich von der Thermik in immer größere Höhen tragen ließen.
Kumbhalgarh – endlich mal off the path?
Die Idee zu Kumbhalgarh entstand, als ich diesen Artikel gelesen hatte. Die zweit längste Mauer der Welt, das hörte sich vielversprechend an. Da Kumbhalgarh genau zwischen Udaipur und unserem nächsten Ziel Jodhpur liegt, sollte es unsere nächste Destination werden. Die Online-Recherche hierzu gestaltete sich komplizierter als gedacht. Einerseits war das Hinkommen mit öffentlichen Verkehrsmitteln so gut wie unmöglich, andererseits findet man online auch keine erschwinglichen Unterkünfte. Die Gegend um das Fort ist auf Luxustourismus ausgerichtet, wer sich etwas gönnen möchte ist hier richtig. Auf der Suche nach Transport nach und Unterkunft in Kumbhalgarh, führte uns unser Weg also in eine Travel Agency. Da wir jetzt zu viert unterwegs waren, war ein Taxi bezahlbar und die beste Option. Auch wegen der Unterkunft wurde uns geholfen. Der freundliche Inhaber der Agency stellte für uns den Kontakt mit dem Lucky Guesthouse her, dem einzig Günstigen in der Gegend.
Lucky im Lucky Guesthouse?
Die Taxifahrt von rund zwei Stunden ging schnell vorbei, und wir gelangten zum Lucky Guesthouse. Der sehr freundliche Besitzer des Guesthouses zeigte uns stolz die drei verfügbaren Zimmer. Danach wies er uns auf die Möglichkeit hin, in einem der Zelte im Garten zu übernachten. Diese waren mit Feldbetten ausgestattet und verfügten jeweils über ein eigenes, durch ein Stück Stoff abgetrenntes, Hockklo, inklusive Wasserversorgung. Der Garten war mit ein paar Blumen bepflanzt und fungierte zusätzlich als Ziegenstall. In der Mitte gab es eine schöne Feuerstelle, wir entschieden uns für die Zelte. Über eine Dusche verfügte die Unterkunft nicht. Es gab noch einen Raum mit einer Kloschüssel und einem Waschbecken, aus dem manchmal sogar Wasser kam.
Essen ist kein Problem und auch kaltes Bier – alles „no problem“ sagte unser Gastgeber, er würde sich um alles kümmern. Schließlich sei seine Frau berühmt für ihre Kochkünste, darüber wüsste sogar der Lonely Planet zu berichten. Die erste kleine Mahlzeit die wir serviert bekamen, bestand aus Parotha – einem rundem indischen Brot das mit Kartoffeln oder anderem Gemüse gefüllt wird. Dazu gab es Curd, eine Art Joghurt der hier wahrscheinlich aus der eigenen Ziegenmilch hergestellt wurde, und Pickle (salzig sauer eingelegtes Gemüse, oft auch Mangos). Die Parotha schmeckten gut, waren aber selbst für Steffen und meine, an die indische Schärfe gewohnten Gaumen, ziemlich heftig. Dazu gab es den üblichen überzuckerten Chai.
Derartig gestärkt machten wir uns auf den Weg, die Festung zu bestaunen.
Fort und Mauer
Das Guesthouse befand sich in Laufnähe zum Fort, also liefen wir am Rand der ansteigenden Straße ca. 15 Minuten in Richtung Eingangstor. Schon von weitem erhaschten wir einen Blick auf die im 15. Jahrhundert erbaute gigantische Bergfestung.
Durch das kolossale Hanuman Tor, ging es weiter bergauf in Richtung Fort. Über das Fort an sich gibt es nicht viel zu berichten, es ist auch nicht besonders schön gestaltet. Die Aussicht die man von den Zinnen aus hat, ist dafür umso beeindruckender. Der Ausblick erstreckt sich über den kompletten umschlossenen Bereich der 36 km langen Mauer. Im Inneren der Mauer befinden sich zahlreiche Gebäude, wovon 360 allein Tempel sind. Die Sicht auf die bewaldete und hügelige Umgebung von Kumbhalgarh ist aber fast noch schöner.
Auf dem Rückweg vom Fort begegneten wir einer frechen Affenhorde, die darauf lauerte, dass sich Besucher Snacks oder Getränke an den Ständen kauften. Hier ist Vorsicht geboten. Ein Spaziergang auf der Mauer und der Besuch einer der 360 Tempel rundeten unsere Besichtigung ab.
Wir machten uns wieder auf dem Weg zu unserem Guesthouse und freuten uns auf kühles Bier, hausgemachtes Essen und Lagerfeuer. Im Lager lernten wir Phil kennen, der mit seinem Fahrrad die ganze Welt bereisen will, und Theresa, die allein auf ihrem Motorrad unterwegs war. Die Runde wurde feucht fröhlich, es war tatsächlich sehr viel kühles Bier da. Das Essen war köstlich, wenn auch wieder sehr scharf. Der Himmel war sternenklar, wir genossen es lange draußen zu sitzen, und die Holzvorräte des Guesthouses wurden gehörig dezimiert.
Eine holprige Weiterfahrt
Ziemlich angeschlagen, mit dröhnendem Schädel erwachten wir früh nach einer eisigen Nacht. Die Idee, noch einen Tag im Guesthouse zu bleiben, verwarfen wir und beschlossen uns auf den Weg nach Jodhpur zu machen. Unser Host erklärte, dass wir mit dem Bus zunächst nach Sayra, dem nächsten größeren Ort fahren müssen, dort könnten wir in einen Bus nach Jodhpur umsteigen.
Wir schulterten unser Gepäck und machten uns auf den Weg Bushaltestelle, glücklicherweise nicht weit vom Guesthouse. Einige Minuten später kam der Bus klappernt und mit hohem Tempo um die Ecke. Jetzt begann der Alptraum eines jeden Backpackers, der Bus war nämlich voll. Steffen und ich bepackt mit großen Backpack hinten, ca. je 15 Kilo und kleinem Daypack vorne, mit Laptop, Kamera usw., unsere beiden Mitreisenden Cora und Matze jeweils mit großen Backpack auf dem Rücken. Zunächst quetschten wir uns einfach in den Bus rein, wer weiß, wann hier der nächste kommt. Die großen Backpacks konnten wir glücklicherweise vorne beim Fahrer stapeln, also standen wir mit unseren kleinen Rucksäcken da, kaum Platz für unsere Füße und die schaukelige kurvige Fahrt begann. Ziemlich schnell forderte die vergangene durchzechte Nacht ihren Tribut und dem ersten wurde schlecht. Nach einigen Halts, bei denen bunt gekleidete Frauen mit durchsichtigen Tüchern über Kopf und Gesicht und Männer mit roten und orangen Turbanen ein und ausstiegen, bekamen wir Sitzplätze. Erst mal durchatmen.
So wie es kaum gekennzeichnete Haltestellen bei Regionalbussen gibt, so gibt es natürlich auch keine Schilder, wo man gerade ist. Aber keine Angst, es gibt immer einen netten Einheimischen der einen fragt wo man hin will. Und die Busfahrer wissen meist auch, wo die komischen Weissen mit ihrem riesigen Gepäck hin wollen.
In Sayra angekommen, versuchten wir uns erstmal zu orientieren. Wir waren uns nach der ersten Busfahrt nicht mehr ganz sicher, ob es eine gute Idee ist, die komplette Fahrt mit einem Regionalbus zu machen. Also peilten wir zunächst einen Zwischenstopp im Ranakpur Jain Tempel an, wo wir anschließend vielleicht auch übernachten wollten, oder einen Bus Richtung Jodhpur nehmen. Es gab keine Schilder auf Englisch, sämtliche sichtbare Schrift war in Sanskrit. Aber das gleiche hier, wenige Minuten nachdem wir den einen Bus verlassen hatten, saßen wir schon im nächsten Bus nach Ranakpur. Diese Busfahrt stellte sich einerseits als bequemer heraus, da der Bus nicht voll war und andererseits als echte Herausforderung für unsere Mägen.
Landschaftlich kann man diese Busfahrt als extrem reizvoll bezeichnen, aber auch als sehr kurvig. Wir fuhren über holprige Straßen und folgten der Serpentinenstraße, als auf einmal auf der linken Seite vor uns eine Inderin hektisch begann, an dem verklemmten Schiebefenster zu rütteln. Als sie es endlich geöffnet hatte übergab sie sich nach draußen. Wenige Minuten später bat eine junge indische Frau, diesmal unmittelbar rechts vor uns, ob Steffen ihr beim Öffnen des Fensters behilflich sein könnte, es klemmte. Keine Sekunde zu spät, sie erbrach sich sofort als das Fenster schließlich auf war. Die Bitte an den Kontrolleur, er solle doch dem Busfahrer anhalten das Tempo zu verringern, wurde abgeschlagen, er müsse ja im Zeitplan bleiben. Wahrscheinlich der erste Busfahrer in der Geschichte Indiens, der versuchte, einen Zeitplan einzuhalten.
Völlig zerschlagen, mit zittrigen Knien und Übelkeit im Magen, erreichten wir unser Zwischenziel Ranakpur. Wir kehrten in den kleinen Chai Shop in der Nähe des Tempels ein und versuchten erst mal wieder zu Kräften zu kommen. Schließlich begannen wir die Lage zu sondieren und hörten uns ein bisschen um. Schnell war klar, das Letzte was wir in unserem Zustand wollten war, uns durch ein Tempel zu schleppen, egal wie berühmt oder wichtig er auch war. Auch der Versuch eine erschwingliche Unterkunft für eine Nacht zu finden, stellte sich als unmöglich heraus. Die Pilgerunterkünfte im Tempel sind Hindus vorbehalten und waren somit auch keine Option. Deshalb waren wir froh, als uns ein Taxi nach Jodhpur angeboten wurde. Wir bestiegen das Taxi und kehrten glücklich zurück auf die ausgetretenen, aber bequemen Pfade.
2 Kommentare