Wir müssen früh aufstehen, der Wecker klingelt um 6:00 Uhr. Möglichst früh wollen wir am Busbahnhof sein, um einen guten Platz zu ergattern. Die öffentlichen Busse sind weder komfortabel, noch sonderlich gut in Schuss, zum Teil auch unglaublich staubig. Ferner können sie gnadenlos überfüllt sein. Wir fanden heraus, dass ganz vorne die besten Plätze sind. Hier kann man seine Beine zumindest etwas ausstrecken, reist deutlich rückenschonender als hinten im Bus, und man sieht schön aus der Frontscheibe raus. Unser Bus fährt pünktlich um halb acht ab, unsere Rechnung geht auf, wir sitzen vorne. In den nunmehr fast zwei Wochen, die wir bereits in Indien sind, haben wir uns recht viel in Städten aufgehalten. Wir freuen uns riesig auf Munnar und die Berge. Wollen viel in der Natur wandern, frische Luft atmen. Dass unsere Vorstellungen von der Hill Station und ihrer Umgebung nicht ganz der Realität entsprechen, wissen wir noch nicht.
Die rund fünfstündige Busfahrt von Madurai nach Munnar war verhältnismäßig angenehm. Als wir die Berge erreichten wurde es spektakulär. Der Bus schlängelte sich langsam die Serpentinenstrecke nach oben. In den Spitzkehren kamen wahlweise Abgrund oder Felswand sehr nah, vor allem ganz vorn im Bus.
Munnar liegt umgeben von Bergen und Teeplantagen auf fast 1500 Meter Höhe. Abends wurde es schnell kühl, in der ersten Nacht hatten wir zu wenig Decken und haben richtig gefroren. Ein Kontrast zu der stetigen drückenden Hitze Tamil Nadus.
Ausflug zur Top Station
Am ersten Tag haben wir zusammen mit drei anderen Reisenden einen Ausflug zur 30 km entfernten Top Station unternommen. In einem Jeep ging es über kurvige Straßen durch wenig verbliebene Wälder und scheinbar endlose Teeplantagen. Wir sind recht früh losgefahren, damit wir noch eine schöne Aussicht haben, sobald die Temperaturen steigen kann es sehr diesig werden. Die Aussicht die sich einem an der Top Station bietet, ist wirklich sagenhaft. Rundum zeichnen sich die Gipfel der umliegenden Berge ab, der Kontrast zwischen dem blauen Himmel oben und dem saftigen Grün der Täler ist wunderschön.
Die Top Station ist auch bei Indern ein beliebtes Ausflugsziel. Wir haben erfahren, dass Munnar als Honeymoon Destination unter Indern sehr gefragt ist. Die Zeiten der verträumt verschlafenen Hillstation sind vorbei. Es gibt viele Shops, die Essen und Getränke zum Kauf anbieten. Und leider wird auch hier, wie so häufig in Indien, der Müll arglos in die Natur geworfen. Es gibt einen dedizierten Aussichtspunkt, für welchen auch Eintritt gezahlt werden muss, dieser war relativ sauber. Auf den paar Metern Weg dorthin sahen wir aber mehrere große Ansammlungen von Müll. Diese Seite Indiens macht uns mehr und mehr zu schaffen.
Auf dem Rückweg halten wir bei mehreren Sightseeing Stationen. Es gibt zwei Staudämme, einen berühmten Bollywood Drehort, einen botanischen Garten, einen Echopunkt. An den meisten Stationen gibt es Unmengen von Shops, die nahezu identische Waren anbieten. Hinzu kommt Pferdereiten und ständig fragten indische Touristen, ob sie ein Selfie mit uns schießen dürfen. Dazu allerorts der Müll!
Wir waren schnell genervt und hatten genug, so hatten wir uns unseren Abstecher in die Berge nicht vorgestellt.
Wandern in Munnar
Sämtliche Teeplantagen in und um Munnar gehören der Tata-Group, genauer Tata-Global-Beverages, dem zweitgrößtem Teeproduzenten weltweit. Das Betreten der Plantagen ist nicht erlaubt, außer geführt auf ausgewiesenen Strecken. Das fanden wir zwar sehr schade, wenn man aber den ganzen Müll in der Natur gesehen hat, ist das verständlich. Da alle Berge von Teeplantagen gesäumt sind, ist es fast nicht möglich die Berge ohne Guide einfach so zu besteigen. Wir tauschten also unsere Idee vom Wandern auf eigene Faust gegen die Realität eines geführten Hikes ein.
Morgens um sieben ging es los. Unsere Gruppe zählte mit uns und Guide sieben Personen. Ein Stück ausserhalb von Munnar bogen wir in eine Teeplantage und folgten dem Weg stets nach oben. Die aufgehende Morgensonne ließ die hügeligen Plantagen wunderschön erstrahlen.
Als nervig empfanden wir die von unserem Guide alle paar Minuten ausgerufenen Stopps. In diesen erzählte er viel über Tee, die lokalen Besitzverhältnisse und Tata. Richtig sauer aufgestoßen hat uns dann seine Sicht auf den Konflikt zwischen Elefanten und Menschen. Er bezog hier keineswegs die Position, die man von einem Naturguide erwarten würde. Vielmehr verwies er darauf, wie gefährlich Elefanten sind, und dass diese die Existenz der Bauern gefährden. Ein paar Wochen zuvor gingen die Bilder des brennenden Elefantenbabys, aufgenommen in Indien, um die Welt. Auch bezeichnend war seine Antwort auf die Frage, ob die Plantagen mit Pestiziden besprüht würden: “No pesticides, only chemicals!” Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Wir wären gern ohne Guide in unserem Tempo gewandert, das ist aber – wie beschrieben – in Munnar nicht mehr ohne weiteres möglich.
Nach ca. 1,5 Stunden waren verließen wir dann die Plantage und kamen in hüfthohe Graslandschaft auf dem Bergrücken. Es bot sich uns ein malerischer Ausblick auf die Berge rundum. Wir sogen die Eindrücke regelrecht in uns auf. Auf dem Gipfel angekommen gab es erstmal Frühstück. Die vom Guide ausgegebenen 2100 Höhenmeter waren laut Handy GPS zwar nur 1800, toll war es trotzdem da oben.
Von nun an ging es stetig bergab. Zuerst den grasbewachsenen Berg auf der anderen Seite wieder hinunter, bis wir wieder in eine Teeplantage kamen. Hier fiel uns leider auf, dass nahezu keine Insekten oder Vögel zu sehen waren. Der Einsatz von “only Chemicals” fordert hier vermutlich seinen Tribut.
Richtig beeindruckend wurde es, als wir die üppigen, schattigen, Kardamon- und Gewürzwälder erreichten. Kerala ist sehr fruchtbar und die Landwirtschaft ist neben dem Fischfang das wirtschaftliche Rückgrat des Staates. Sechs Prozent der Fläche Keralas werden landwirtschaftlich genutzt. (Quelle)
Neben Kakao, Kaffee und Tee bekamen wir auf unserer Wanderung auch noch Ingwer, Bananen, Kautschuk, Pfeffer, Koriander, Kardamon, Kokos-, Muskat-, und Betelnüsse, Maniok, Avokados, Jackfruits und mehr zu sehen. Das war auf jeden Fall sehr interessant, und in einigen Fällen auch schmackhaft, der Guide ließ uns viel probieren.
Sollte ich mal den Satz hören: “Geh doch dahin, wo der Pfeffer wächst!” werde ich auf jeden Fall antworten: “Da war ich schon!”
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